Als Karlsruhe 2007 Kopf stand

Die Fächerstadt feiert!
Fünf Glatzköpfe, Rosé-Sekt-besudelte Frauenkleider, ein nasser Wintermantel und hämmernde Kopfschmerzen. Der Sonntag hat in Karlsruhe seine Spuren hinterlassen. Fast sechs Tage lang konnten sich Mannschaft und Fans des KSC auf die Rückkehr in die erste Fußball-Bundesliga einstellen.
Um 15.47 Uhr und ein paar Sekunden pfiff Schiedsrichter Thorsten Schriever das Spiel ab und die große Party an.
27 Minuten zuvor hatte Abwehrspieler Maik Franz das Publikum schon mal auf den Jubel eingestimmt. Die Atmosphäre war ein wenig eingeschlafen nach über einer Stunde durchschnittlichem Fußball zwischen den Karlsruhern und der Spielvereinigung Unterhaching. Aufgestiegen war der KSC zu diesem Zeitpunkt trotzdem. Aber aufsteigen mit einem torlosen Unentschieden – wer wollte das schon? Die fast 30.000 im Stadion nicht. Die Mannschaft aber auch nicht. Franz riss die Arme nach oben, die Fans reagierten und Edmond Kapllani traf.
Nach dem Spiel wurde zuerst das Stadion, dann das Wildparkgelände und schließlich ganz Karlsruhe zur Fanmeile. „Nie mehr zweite Liga!“ skandierten die Anhänger noch spät in der Nacht durch die Innenstadt. Vergessen der Sturz in die Zweitklassigkeit vor neun Jahren, vergessen der Abstieg in die Regionalliga, die Existenznöte im Zweitliga-Tabellenkeller. Nach genau 3.277 Tagen war der KSC wieder in der Erstklassigkeit angekommen.
Und der Erfolg hat viele Namen. Der Kämpfer Maik Franz, „Killer-Miller“ im Tor, Giovanni Federico, der sympathisch mitfeierte, obwohl er den Verein verlässt, Edmond Kapllani, der sich vom belächelten Reservespieler an die Torjägerkrone der Liga heran schoss. Und natürlich „Ede“ Becker. Mit seinen 50 Jahren ist er kein Neuling im Fußballgeschäft, wohl aber einer auf der Trainerbank. Auch er dürfte nur ungern auf die Umstände zurückblicken, unter denen er der Chef im Wildpark wurde. Er war einer von vielen Glücksgriffen. Vor dem Spiel rollten die Fans ein Transparent aus, im Kreis des KSC-Logos waren die Buchstaben „EDE“ zu lesen. „Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter, wenn so eine Resonanz zur eigenen Person kommt“, sagte er.
Zur selben Zeit knallten in der Mannschaftskabine die Korken der Magnum-Flaschen. Becker, von Manager Rolf Dohmen gerne als „knochig, aber im positiven Sinn“ bezeichnet, brauchte noch ein paar Minuten, bis seine Anspannung abfiel. „Für allzu viel Euphorie ist noch kein Platz da“, hatte der Trainer noch vor dem Spiel gesagt und lachend hinzugefügt: „Aber wenn wir rechnerisch durch sind, miete ich mir nach dem Spiel ein Cabrio und fahre hupend durch Waldbronn.“ Dazu hatte er am Abend keine Zeit mehr: Zuerst feierte das Team in der Kabine, dann mit den Fans im Clubhaus. Und schließlich machte der KSC im kleinen Kreis die Nacht zum Tage.
In der Zwischenzeit bahnten sich Autokorsos den Weg durch die feiernde Menge, fast alle hatten mittlerweile ihr Fan-Trikot gegen das blaue Aufstiegs-T-Shirt getauscht. Der Brückentag vor dem 1. Mai kam dem Party-Volk gerade recht, um die Kleidung zu reinigen, zu trocknen und den Kater weg zu schlafen.
Die Verfolgung der anderen verbliebenen Spuren führt zurück in den Wildpark, kurz nach dem Abpfiff: Maik Franz besprühte vorwiegend weibliche Stadionbesucher mit Sekt aus der Literflasche und Manager Rolf Dohmen landete mit seinem Lieblings-Wintermantel im Entmüdungsbecken der Mannschaftskabine – bei annähernd 30 Grad Außentemperatur. „Meine Frau sagt immer, das sähe aus, als hätte ich nur einen Mantel im Schrank“, sagte er später. „Aber der hat im Winter immer Glück gebracht, ich hatte ihn in Rostock dabei und deshalb durfte er auch heute nicht fehlen.“
Derweil fielen bei den Abwehrspielern Florian Dick und Martin Stoll, bei Angreifer Sebastian Freis, und bei Ersatztorwart „Jeff“ Kornetzky die Haare. Sie hatten abgemacht, sich beim Aufstieg eine Glatze zu rasieren. Mittelfeldmann Timo Staffeldt spielte Friseur, auch er war an der Wette beteiligt. „Aber seine Haare sind schon so kurz“, meinte Florian Dick, „wir überlegen uns noch was, da muss ein Muster rein oder so.“
